Theobald: Physiologus: Unterschied zwischen den Versionen

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Theobaldus, Physiologus, Oberstufe, Enzyklopädie, Fabel, Wissenschaftsgeschichte, Christentum  
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Version vom 28. März 2023, 17:42 Uhr

Die Physiologi

Einleitung

Mit dem Namen Physiologus (gr. Φυσιολόγος) verbindet man eine Tradition an Naturkunden. Meist beginnen ihre Einträge eben mit den Worten Physiologus dicit … (bzw. ὁ Φυσιολόγος ἔλεξε …) – also, „Der Naturkundler sagt …“. Objekt der Behandlungen sind meist Tiere und Fabelwesen, manchmal aber auch spezifische Pflanzen oder Steine. Die einzelnen Artikel muten prima facie sehr wissenschaftlich an; so handeln sie in einer deskriptiven und scheinbar wertungsfreien Sprache die Beobachtungen ab. Erst beim zweiten Blick fällt die formale, sprachliche und symbolische Aufarbeitung der Textpassagen stärker ins Gewicht; die Sätze (hier: im Physiologus Theobaldi) weisen Binnenreime vor und sind (vorwiegend korrekt) in elegischen Distichen geschrieben, die nüchterne Sprache der Deskription tritt in ein Spannungsfeld mit dem symbolisch-mythologisch aufgeladenen Inhalt und einer stets angeschlossenen moral-ethischen, christlich-allegorischen Anekdote, sodass die Passagen den ovidischen oder kallimachischen Aitien in nichts nachstehen, doch zumeist nicht antike, sondern christliche Vorstellungen, wenn nicht Werte, propagieren.

Der Physiologus als Textgattung ist ebenfalls begehrtes Objekt der Rezeption. Nach dem Entstehen der ersten Texte ca. im 2. bis 4. Jh. n. Chr. wurden die einzelnen Geschichten variantenreich wiedergegeben, teils gekürzt, teils ergänzt, oft illustriert. Außerdem findet sich kaum ein anderes Werk in so viele Sprachen übersetzt: Neben den zwei lateinischen Exemplaren (Physiologus Theobaldi und Dicta Chrysotomi) steht eine Vielzahl (alt)griechischer, (mittel-) englischer, (althoch-, frühmittelhoch-) deutscher, etc. Versionen zur weiteren Erschließung zur Verfügung. Durch die bildstarke Sprache nahm der Physiologus großen Einfluss auf die (christliche) Ikonographie des Mittelalters und ist beispielsweise maßgeblich an der Verbreitung des Einhorn- und Phönix-Motives beteiligt.

Literaturhinweise

Für die Textedition habe ich mich an einen Druck aus dem späten 15. Jh. entschieden [1], zum einen da er leicht im Netz abrufbar ist, zum anderen da er bereits eine Deutung des Autors enthält. Einige editorische Anpassungen, um den Text zugänglicher (und sinnvoller) zu gestalten, habe ich mir erlaubt; dazu habe ich vor allem auch die textkritische Edition [2], S. 64–69 herangezogen.

Bei den wiss. Literaturempfehlungen möchte ich mich bewusst zurückhalten und dafür hier auf einige für den Schulkontext relevante und heranziehbare Texte eingehen. Eine knappe wiss. Verortung der Untersuchung des Physiologus und mittelalterlichen Äquivalente findet sich hingegen in [5], S. 7–14. Beschäftigung mit christlicher Ikonographie des Mittelalters und bestimmter Deutungsmuster scheint unabdingbar bei der Beschäftigung mit den mittelalterlichen Physiologi. So sind die ‚Lexikoneinträge‘ nicht schlichtweg falsch, sondern „das spezifische Verständnis von Natur, welches den Bestiarien anfänglich zugrundeliegt, findet sich kondensiert in Formeln wie Alanus‘ ab Insulis: Omnis creatura significans, oder Hugos von St. Victor: Omnis natura Deum loquitur.“ (ebd., S. 7). Ein Blick in den Aufsatz [6] lohnt sich daher allemal. Für eine wissenschaftlich weiterführende Auseinandersetzung mit den Physiologi empfehle ich [4], in dem sowohl auf die Frage des Forschungsstandes als auch auf die einzelnen griechischen, lateinischen und deutschen Fassungen bezogen auf die Autorenschaft und Quellen eingegangen wird, sowie den vielumfassenden Tagungsband [3]. Für den generellen Aufbau der Physiologi und deren Kapitel (hauptsächlich jedoch auf die Prosa-Versionen bezogen) siehe [8].

Speziell zum Elefanten empfiehlt sich [7], worin die Geschichte des Elefanten in Fiktion und Realität erzählt wird. Neben Berichten der Antike und der frühen Neuzeit findet sich auch die Anekdote aus dem Physiologus wieder (ebd., 57 f.).

  1. THEOBALDUS. Physiologus de naturis XII animalium. Köln: Heinrich Quentell, um 1490. (Digitalisat)
  2. THEOBALDUS. Physiologus. Ed. u. üb., mit Einl., krit. App. u. Komm. vers. von P.T. EDEN. Leiden / Köln: Brill, 1972.
  3. Zbynĕk Kindschi GARSKÝ / Rainer HIRSCH-LUIPOLD. Christus in natura. Quellen, Hermeneutik und Rezeption des Physiologus. Berlin / Boston: De Gryuter, 2019.
  4. Nikolaus HENKEL. Studien zum Physiologus im Mittelalter. Tübingen: Niemeyer, 1976.
  5. Gisela FEBEL / Georg MAAG (Hrsgg.). Bestiarien. Im Spannungsfeld zwischen Mittelalter und Moderne. Tübingen: Gunter Narr, 1997, insbes. S. 7–28.
  6. Martina NEYMEIER. „Bestiaries“. In: [5], S. 15–28.
  7. Rudolf SCHENDA. Das ABC der Tiere. Märchen, Mythen und Geschichten. München: Beck, 1995, S. 55–62.
  8. Horst SCHNEIDER. „Tiere in symbolischer Deutung: Der Physiologus“. In: Animal Kingdom of Heaven. Anthropozoological Aspects in the Late Antique World. Hrsg. von I. SCHAAF. Berlin / Boston: De Gryuter, 2019, S. 59–76.

Aufbereitung der Texte

Didaktische Einordnung

Die folgende Einheit beinhaltet Übersetzungs- sowie Interpretationstext(e) und bietet einen Übergang von der Behandlung metrischer Texte, allem voran elegischen, in die Wissenschaftsgeschichte und Mystik (des Mittelalters). Die behandelten Texte sind in (vorwiegend korrekten) elegischen Distichen geschrieben. Weitere Ausgangspunkte für eine vertiefende Behandlung können spätantike Tierfabeln oder textnahe Interpretationsübungen sein. Aufgrund des vergleichsweise hohen, generellen Schwierigkeitsgrades, der notwendigen Beschäftigung mit vielen Texten und deutungsaufgeladenen Formulierungen, ist der Text (in unangepasster Version) nur für die Oberstufe zu empfehlen.

Die Texte wurden mit Aufgaben zur Vor- und Nachbereitung versehen, die sich in ihrem Schwierigkeitsniveau gemäß der Kompetenzoperatoren steigern. Annotationen am Übersetzungstext erfolgten auf Grundlage des adeo-NORM-Wortschatzes, wobei zusätzliche Hinweise bei Bedarf zur Binnendifferenzierung „hinzugeknickt“ werden können. Manche Aufgaben wurden zudem ihrem jeweiligen Typ entsprechend mit Texterwartung, Bonus (zur Differenzierung) oder Kreativ (zum Themeneinstieg oder -ausstieg, beinhaltet Zeichen-/Malanteil) markiert.

Lehrkräfte, die dieses Material benutzen, sind ausdrücklich dazu eingeladen, nach eigenem Belieben und Ermessen, Ergänzungen und Auslassungen vorzunehmen, um Schwierigkeitsniveau und inhaltliche Fokussierung gemäß den eigenen Unterrichtszielen anzupassen.

Kategorien

Theobaldus, Physiologus, Oberstufe, Enzyklopädie, Fabel, Wissenschaftsgeschichte, Christentum

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