Einhard: Vita Karoli magni: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Als Teil der karolingischen Hofkapelle hat Einhard offenbar auch zur Hofdichtung Werke beigesteuert, über die mangels entsprechender Überlieferung kaum etwas bekannt ist. Seine wichtigsten erhaltenen Werke sind folgende: Der Translationsbericht zur Überführung der beiden Heiligen Marcellinus und Petrus (827 und später) ist oben bereits angesprochen worden. Es ist aufgeteilt in vier Bücher unter dem Titel Translatio et miracula ss. Marcellini et Petri, in denen Einhard den Erwerb der Reliquien, deren Überführung und die mit den Heiligen bzw. deren Verehrung zusammenhängende Wunderberichte liefert und „unmittelbar und frisch, ohne sich an ein Vorbild anzulehnen, und in einer nicht klassizistischen Sprache“ (Karl Langosch) schreibt. | + | Als Teil der karolingischen Hofkapelle hat Einhard offenbar auch zur Hofdichtung Werke beigesteuert, über die mangels entsprechender Überlieferung kaum etwas bekannt ist. Seine wichtigsten erhaltenen Werke sind folgende: Der Translationsbericht zur Überführung der beiden Heiligen Marcellinus und Petrus (827 und später) ist oben bereits angesprochen worden. Es ist aufgeteilt in vier Bücher unter dem Titel ''Translatio et miracula ss. Marcellini et Petri'', in denen Einhard den Erwerb der Reliquien, deren Überführung und die mit den Heiligen bzw. deren Verehrung zusammenhängende Wunderberichte liefert und „unmittelbar und frisch, ohne sich an ein Vorbild anzulehnen, und in einer nicht klassizistischen Sprache“ (Karl Langosch) schreibt. |
− | Sein durchaus bekanntestes Hauptwerk hingegen ist die Karlsvita (s.u. unter „Hintergründe zum Text“). Neben den bereits genannten Briefen Einhards ist er noch Autor eines kleineren Traktates mit dem Titel De adoranda cruce, das er wohl 836 für Abt Lupus von Ferrières (* 805, † nach 862) schrieb, mit dem er befreundet war. | + | Sein durchaus bekanntestes Hauptwerk hingegen ist die Karlsvita (s.u. unter „Hintergründe zum Text“). Neben den bereits genannten Briefen Einhards ist er noch Autor eines kleineren Traktates mit dem Titel ''De adoranda cruce'', das er wohl 836 für Abt Lupus von Ferrières (* 805, † nach 862) schrieb, mit dem er befreundet war. |
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− | Mit der Vita Karoli Magni legte Einhard ein bleibendes biografisches Bild Karls des Großen vor, das er – lange nach dem Tode Karls – in den 830er Jahren verfasste. Für die Lebensbeschreibung seines Herren in 33 Kapiteln war Einhard als jüngerer Zeitgenosse, der sich im engsten Umfeld des Königs und späteren Kaisers bewegt hatte, auch aus eigener Sicht ein passender Gewährsmann, wie er im Prolog zu seinem Werk angibt ( | + | Mit der Vita Karoli Magni legte Einhard ein bleibendes biografisches Bild Karls des Großen vor, das er – lange nach dem Tode Karls – in den 830er Jahren verfasste. Für die Lebensbeschreibung seines Herren in 33 Kapiteln war Einhard als jüngerer Zeitgenosse, der sich im engsten Umfeld des Königs und späteren Kaisers bewegt hatte, auch aus eigener Sicht ein passender Gewährsmann, wie er im Prolog zu seinem Werk angibt (''…, tamen ab huiuscemodi scriptione non existimavi temperandum, quando mihi conscius eram nullum ea veracius quam me scribere posse, quibus ipse interfui, …'', prol.). Als Motivation für sein Werk nennt Einhard die Förderung und Erziehung durch Karl und seine freundschaftliche Verbindung mit ihm und seiner Familie (''… nutrimentum videlicet in me inpensum et perpetua, postquam in aula eius conversari coepi, cum ipso ac liberis eius amicitia; …'', prol.) und betrachtet es als seine, über die Lebzeiten des Herrschers hinaus bestehende moralische Pflicht, die Taten Karls, die ohne Vergleich seien, für die Nachwelt festzuhalten, bevor sie ansonsten für immer verloren gingen: <blockquote>''qua [sc. amicitia] me ita sibi devinxit debitoremque tam vivo quam mortuo constituit, ut merito ingratus videri et iudicari possem, si tot beneficiorum in me conlatorum inmemor clarissima et inlustrissima hominis optime de me meriti gesta silentio praeterirem patererque vitam eius, quasi qui numquam vixerit, sine litteris ac debita laude manere; …'' – Einh. ''Vita Karoli'', prol.</blockquote> |
Nachdem er in den einführenden Kapiteln den Übergang der Königswürde von den immer machtloser gewordenen Merowingerherrschern auf die karolingischen Vorfahren Karls darstellt, die traditionell das wichtige Hofamt des maior domus („Hausmeiers“) ausführten, äußert sich Einhard in c. 4 der Vita zu Schwerpunkten seiner Gliederung: | Nachdem er in den einführenden Kapiteln den Übergang der Königswürde von den immer machtloser gewordenen Merowingerherrschern auf die karolingischen Vorfahren Karls darstellt, die traditionell das wichtige Hofamt des maior domus („Hausmeiers“) ausführten, äußert sich Einhard in c. 4 der Vita zu Schwerpunkten seiner Gliederung: | ||
− | + | <blockquote>''… ad actus et mores ceterasque vitae illius partes explicandas ac demonstrandas, omissis incognitis, transire disposui; ita tamen, ut prima res gestas et domi et foris, deinde mores et studia eius, tum de regni administratione et fine narrando, nihil de his quae cognitu vel digna vel necessaria sunt praetermittam.'' – Einh. ''Vita Karoli'', c. 4</blockquote> | |
Somit nimmt zunächst eine ausführliche Darstellung der kriegerischen Unternehmungen Karls und seiner Eroberungen (c. 5–15; den langwierigen Sachsenkriegen sind die c. 7f. gewidmet) und seiner Außenpolitik (c. 16) großen Raum ein. Nach Einlassungen zu seiner Bautätigkeit (c. 17) ist die zweite Werkhälfte unter anderem den mores et studia Karls gewidmet und gibt Auskünfte etwa über dessen familiäre Beziehungen (c. 18), über die Erziehung der Kinder und den von ihm gepflegten Umgang mit ihnen (c. 19), über zwei Erhebungen gegen Karl – unter anderem durch seinen Sohn, Pippin den Buckligen, aus der Verbindung mit Himiltrud – (c. 20) sowie über Karls Umgang mit Fremden (c. 21). | Somit nimmt zunächst eine ausführliche Darstellung der kriegerischen Unternehmungen Karls und seiner Eroberungen (c. 5–15; den langwierigen Sachsenkriegen sind die c. 7f. gewidmet) und seiner Außenpolitik (c. 16) großen Raum ein. Nach Einlassungen zu seiner Bautätigkeit (c. 17) ist die zweite Werkhälfte unter anderem den mores et studia Karls gewidmet und gibt Auskünfte etwa über dessen familiäre Beziehungen (c. 18), über die Erziehung der Kinder und den von ihm gepflegten Umgang mit ihnen (c. 19), über zwei Erhebungen gegen Karl – unter anderem durch seinen Sohn, Pippin den Buckligen, aus der Verbindung mit Himiltrud – (c. 20) sowie über Karls Umgang mit Fremden (c. 21). | ||
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An die Erwähnung Roms knüpft somit auch die Notiz über die Übertragung der Kaiserwürde an (c. 28). Bemühungen des Herrschers um die Vereinheitlichung des Rechtswesens und die Benennung von Monats- und Windnamen mit volkssprachlichen Bezeichnungen (c. 29) werfen ihrerseits ein interessantes Licht auf Karls Herrschaftspraxis. Am Ende des Werkes thematisiert Einhard Krankheit, Nachfolgeregelung und die Krönung Ludwig den Frommen sowie den Tod Karls (c. 30), gefolgt von Analepse über diverse Omina, die den Tod Karls bereits im Vorhinein angedeutet hätten (c. 31). Das Werk beschließt Einhard mit längeren Ausführungen über Karls Testament (c. 33). | An die Erwähnung Roms knüpft somit auch die Notiz über die Übertragung der Kaiserwürde an (c. 28). Bemühungen des Herrschers um die Vereinheitlichung des Rechtswesens und die Benennung von Monats- und Windnamen mit volkssprachlichen Bezeichnungen (c. 29) werfen ihrerseits ein interessantes Licht auf Karls Herrschaftspraxis. Am Ende des Werkes thematisiert Einhard Krankheit, Nachfolgeregelung und die Krönung Ludwig den Frommen sowie den Tod Karls (c. 30), gefolgt von Analepse über diverse Omina, die den Tod Karls bereits im Vorhinein angedeutet hätten (c. 31). Das Werk beschließt Einhard mit längeren Ausführungen über Karls Testament (c. 33). | ||
− | Literarisches Vorbild für Einhards Vita Karoli ist allen voran der antike Kaiserbiograf C. Suetonius Tranquillus (* ca. 70, † 122), dessen Kaiserviten für den frühmittelalterlichen Biografen Einhard stets Orientierungs- und Bezugspunkt und ihm neben diversen Formulierungsanleihen im Einzelnen vor allem für die Strukturierung seiner Vita Gerüst sind. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die Augustus-Vita. Diese Orientierung an Sueton, die einerseits thematische Beschreibungsaspekte vorgab, mag vielleicht auch dazu beigetragen haben, dass Einhard über gewisse Einzelheiten berichtet hat, sonst möglicherweise unbehandelt geblieben wären. Andererseits gestaltete Einhard innerhalb der bei Sueton vorgefundenen Linien sein Werk dennoch frei aus. Auch wenn Einhard selbst im Prolog zur Vita, den er im Gestus der Demut beendet, schreibt, dass er als Franke im Lateinischen kaum geübt sei ( | + | Literarisches Vorbild für Einhards Vita Karoli ist allen voran der antike Kaiserbiograf C. Suetonius Tranquillus (* ca. 70, † 122), dessen Kaiserviten für den frühmittelalterlichen Biografen Einhard stets Orientierungs- und Bezugspunkt und ihm neben diversen Formulierungsanleihen im Einzelnen vor allem für die Strukturierung seiner Vita Gerüst sind. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die Augustus-Vita. Diese Orientierung an Sueton, die einerseits thematische Beschreibungsaspekte vorgab, mag vielleicht auch dazu beigetragen haben, dass Einhard über gewisse Einzelheiten berichtet hat, sonst möglicherweise unbehandelt geblieben wären. Andererseits gestaltete Einhard innerhalb der bei Sueton vorgefundenen Linien sein Werk dennoch frei aus. Auch wenn Einhard selbst im Prolog zur Vita, den er im Gestus der Demut beendet, schreibt, dass er als Franke im Lateinischen kaum geübt sei (''… homo barbarus et in Romana locutione perparum exercitatus …'', prol.), hat er seine Karlsvita durch ihre Orientierung an der antiken Biografie mit entsprechendem antiken Kolorit versehen und antikisiert, ein Aspekt, der seinen anderen literarischen Erzeugnissen im Übrigen fehlt. |
− | Obwohl Einhard zur Abfassungszeit der Vita ja als Laienabt geistlichen Gemeinschaften vorstand und später um die Verehrung „seiner“ beiden Heiligen auch literarisch bemüht war, ist das christliche Element in seiner biografischen Darstellung lediglich latent und unaufdringlich. Karl Langosch betont diesen Aspekt mit dem Hinweis darauf, dass nur in wenigen Kapiteln der Vita die Religiosität des Herrschers eine Rolle spiele (z.B. c. 26 und 27), sich hingegen beachtenswerte Einlassungen zur Darstellung Karls als Franke fänden (z.B. c. 23 und vor allem 29). Daher kommt er abschließend zu dem Urteil: | + | Obwohl Einhard zur Abfassungszeit der Vita ja als Laienabt geistlichen Gemeinschaften vorstand und später um die Verehrung „seiner“ beiden Heiligen auch literarisch bemüht war, ist das christliche Element in seiner biografischen Darstellung lediglich latent und unaufdringlich. Karl Langosch betont diesen Aspekt mit dem Hinweis darauf, dass nur in wenigen Kapiteln der Vita die Religiosität des Herrschers eine Rolle spiele (z.B. c. 26 und 27), sich hingegen beachtenswerte Einlassungen zur Darstellung Karls als Franke fänden (z.B. c. 23 und vor allem 29). Daher kommt er abschließend zu dem Urteil: |
+ | <blockquote>Damit wagte er [Einhard] literarhistorisch Neues, nämlich eine weltliche Persönlichkeit an sich zu erfassen, d.h. ohne geistliche Einfärbung, und erweckte die römische Biographie zu neuem Leben. […] Die „Vita“ fand die verdiente Wirkung darin, dass sie bereits im Mittelalter zu den am meisten gelesenen Geschichtswerken zählte und mannigfachen Einfluss auf die Entwicklung ihres Genus übte. – Langosch, ''Mittellatein und Europa'', S. 58f.</blockquote> | ||
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Aktuelle Version vom 27. September 2023, 16:26 Uhr
Autor
Einhard (alternative Schreibweisen seines Namens sind Einhart, Einhardt oder Eginhard) lebte von ca. 770 bis 840. Geboren ist er im Maingau, offenbar einer ostfränkischen Adelsfamilie entstammend. Er wurde früh dem Fuldaer Kloster unter jenem Abt Baugulf (Abt von 779–802, † 802) übergeben, an den auch die „Epistola de litteris colendis“ (s. o.) als eines der Schlüsseldokumente der karolingischen Bildungsreformen gerichtet war und der Einhard wohl 794 oder kurz darauf zur weiteren Ausbildung an den Hof übersandt hat. Seine überdurchschnittlichen Fähigkeiten sorgten dafür, dass Einhard bald in der Hofschule aufstieg und in den näheren Umkreis des karolingischen Herrschers gelangte, ja sogar freundschaftliche Beziehung zu Karl dem Großen unterhielt. Dies obwohl er an Größe klein und eher zart gewesen sein soll, weshalb er den Spitznamen „Nardulus“ („Kleine Narde“, wohl eine Verballhornung seines Namens) erhielt. Ein weiterer Rufname Einhards bei Hofe war „Beseleel“ (in Anlehnung an Bezalel, den alttestamentlichen Werkmeister der Stiftshütte, vgl. Exod. 31, 1–11), da er wegen profunder Kenntnisse in der Baukunst von Karl mit der Aufsicht über verschiedene Bauprojekte beauftragt wurde.
So war Einhard bei Hofe stark in zentrale Prozesse eingebunden und erledigte für Karl zuweilen wichtige Gesandtschaftsreisen, wie etwa die Legation zu Papst Leo III. im Jahre 806, die zum Ziel hatte, dem Pontifex ein Exemplar der von Karl für seine drei Söhne – Karl den Jüngeren, Pippin von Italien und Ludwig den Frommen – vorgesehene Reichtsteilung („Divisio regnorum“) zu übermitteln und sich dessen Zustimmung zu sichern. Von der Bedeutung Einhards zeugen auch über 70 Briefe (überwiegend verfasst von Einhard), die vielfältige Themen berühren und Einhards Vernetzung vor allem in seinen späteren Lebensjahren beleuchten.
Möglicherweise folgte Einhard in der Hofschule auch dem großen Gelehrten Alkuin (alternativ: Albinus, * um 730, † 804) nach, der zentralen Figur und intellektuellen Säule in Karls Bemühungen um Bildung und wissenschaftlichen Aufschwung (vgl. Vita Karoli, c. 25), dessen Schüler Karl zeitweise selbst war. Den für königliche Berater gewöhnlich schwierigen Herrscherwechsel nach dem Tod Karls hat Einhard bei der Herrschaftsübernahme Ludwigs des Frommen (* 778, † 840) 814 offenbar überaus gut überstanden. Er war auch weiterhin relativ bruchlos im höfischen Umfeld als Berater tätig und wurde von Karls Sohn und Nachfolger Ludwig als Laienabt unter anderem mit der Leitung der Abteien St. Bavo und St. Peter in Gent sowie St. Servatius in Maastricht bedacht. Als Laie war es Einhard denn auch möglich eine Ehe mit Imma († 836) zu führen, der die Legende nachsagt, eine Tochter Karls des Großen gewesen zu sein, wofür es an Belegen mangelt.
Wegen der Nachfolgestreitigkeiten zwischen Ludwig dem Frommen und seinen Söhnen und den daraus entstandenen Konflikten, in die Einhard zu Beginn noch vermittelnd einbezogen war, zog er sich mit der Zeit aus dem politischen Betrieb zusehens zurück. Vermehrt kümmerte er sich nun um die Abteien, die ihm anvertraut worden waren. Im Jahr 827 ließ Einhard in Rom Reliquien des Marcellinus und Petrus (zweier Märtyrer der diokletianischen Christenverfolgung um die Wende zum 4. Jahrhundert) – mehr oder minder dubios, wie nicht selten im Mittelalter – beschaffen und nach Michelstadt, später nach Seligenstadt bringen. In diesem Zusammenhang verfasste Einhard ein erbauliches Werk über die Überführung der Gebeine und die mit der Verehrung einhergehenden Wunder. Nach einer kurzen zeitweiligen Rückkehr an den Hof verließ Einhard diesen im Jahr 830 endgültig. Am 14. März 840 starb der Karlsbiograf in Obermulinheim, heute wegen der durch Einhard initiierten dortigen Heiligenverehrung als Seligenstadt bekannt.
Werk
Als Teil der karolingischen Hofkapelle hat Einhard offenbar auch zur Hofdichtung Werke beigesteuert, über die mangels entsprechender Überlieferung kaum etwas bekannt ist. Seine wichtigsten erhaltenen Werke sind folgende: Der Translationsbericht zur Überführung der beiden Heiligen Marcellinus und Petrus (827 und später) ist oben bereits angesprochen worden. Es ist aufgeteilt in vier Bücher unter dem Titel Translatio et miracula ss. Marcellini et Petri, in denen Einhard den Erwerb der Reliquien, deren Überführung und die mit den Heiligen bzw. deren Verehrung zusammenhängende Wunderberichte liefert und „unmittelbar und frisch, ohne sich an ein Vorbild anzulehnen, und in einer nicht klassizistischen Sprache“ (Karl Langosch) schreibt.
Sein durchaus bekanntestes Hauptwerk hingegen ist die Karlsvita (s.u. unter „Hintergründe zum Text“). Neben den bereits genannten Briefen Einhards ist er noch Autor eines kleineren Traktates mit dem Titel De adoranda cruce, das er wohl 836 für Abt Lupus von Ferrières (* 805, † nach 862) schrieb, mit dem er befreundet war.
Hintergründe zum Text
Mit der Vita Karoli Magni legte Einhard ein bleibendes biografisches Bild Karls des Großen vor, das er – lange nach dem Tode Karls – in den 830er Jahren verfasste. Für die Lebensbeschreibung seines Herren in 33 Kapiteln war Einhard als jüngerer Zeitgenosse, der sich im engsten Umfeld des Königs und späteren Kaisers bewegt hatte, auch aus eigener Sicht ein passender Gewährsmann, wie er im Prolog zu seinem Werk angibt (…, tamen ab huiuscemodi scriptione non existimavi temperandum, quando mihi conscius eram nullum ea veracius quam me scribere posse, quibus ipse interfui, …, prol.). Als Motivation für sein Werk nennt Einhard die Förderung und Erziehung durch Karl und seine freundschaftliche Verbindung mit ihm und seiner Familie (… nutrimentum videlicet in me inpensum et perpetua, postquam in aula eius conversari coepi, cum ipso ac liberis eius amicitia; …, prol.) und betrachtet es als seine, über die Lebzeiten des Herrschers hinaus bestehende moralische Pflicht, die Taten Karls, die ohne Vergleich seien, für die Nachwelt festzuhalten, bevor sie ansonsten für immer verloren gingen:
qua [sc. amicitia] me ita sibi devinxit debitoremque tam vivo quam mortuo constituit, ut merito ingratus videri et iudicari possem, si tot beneficiorum in me conlatorum inmemor clarissima et inlustrissima hominis optime de me meriti gesta silentio praeterirem patererque vitam eius, quasi qui numquam vixerit, sine litteris ac debita laude manere; … – Einh. Vita Karoli, prol.
Nachdem er in den einführenden Kapiteln den Übergang der Königswürde von den immer machtloser gewordenen Merowingerherrschern auf die karolingischen Vorfahren Karls darstellt, die traditionell das wichtige Hofamt des maior domus („Hausmeiers“) ausführten, äußert sich Einhard in c. 4 der Vita zu Schwerpunkten seiner Gliederung:
… ad actus et mores ceterasque vitae illius partes explicandas ac demonstrandas, omissis incognitis, transire disposui; ita tamen, ut prima res gestas et domi et foris, deinde mores et studia eius, tum de regni administratione et fine narrando, nihil de his quae cognitu vel digna vel necessaria sunt praetermittam. – Einh. Vita Karoli, c. 4
Somit nimmt zunächst eine ausführliche Darstellung der kriegerischen Unternehmungen Karls und seiner Eroberungen (c. 5–15; den langwierigen Sachsenkriegen sind die c. 7f. gewidmet) und seiner Außenpolitik (c. 16) großen Raum ein. Nach Einlassungen zu seiner Bautätigkeit (c. 17) ist die zweite Werkhälfte unter anderem den mores et studia Karls gewidmet und gibt Auskünfte etwa über dessen familiäre Beziehungen (c. 18), über die Erziehung der Kinder und den von ihm gepflegten Umgang mit ihnen (c. 19), über zwei Erhebungen gegen Karl – unter anderem durch seinen Sohn, Pippin den Buckligen, aus der Verbindung mit Himiltrud – (c. 20) sowie über Karls Umgang mit Fremden (c. 21).
Einen besonders wertvollen Fokus legt Einhardt dabei auf die Beschreibung von Karls Äußerem und seiner Gewohnheiten, was der Leserin / dem Leser ein lebendiges Bild des Herrschers vermittelt: Nach einer Beschreibung seines Aussehens und seiner Physis und Beobachtungen zu seinen bevorzugten Aktivitäten des Reitens, Jagens und Schwimmens (c. 22), folgen Ausführungen zu seiner Kleidung (c. 23), seinen Speise- und Schlafgewohnheiten (c. 24) sowie zu den intellektuellen Fähigkeiten und Bildungsinteressen Karls (c. 25). Ein Kapitel über die Religiosität Karls, sein Engagement für den Bau der Aachener Basilika (c. 26) und – thematisch passend – seine Mildtätigkeit, Freigiebigkeit und Zuwendungen an die Päpste (c. 27) ist ebenso Teil der biografischen Darstellung.
An die Erwähnung Roms knüpft somit auch die Notiz über die Übertragung der Kaiserwürde an (c. 28). Bemühungen des Herrschers um die Vereinheitlichung des Rechtswesens und die Benennung von Monats- und Windnamen mit volkssprachlichen Bezeichnungen (c. 29) werfen ihrerseits ein interessantes Licht auf Karls Herrschaftspraxis. Am Ende des Werkes thematisiert Einhard Krankheit, Nachfolgeregelung und die Krönung Ludwig den Frommen sowie den Tod Karls (c. 30), gefolgt von Analepse über diverse Omina, die den Tod Karls bereits im Vorhinein angedeutet hätten (c. 31). Das Werk beschließt Einhard mit längeren Ausführungen über Karls Testament (c. 33).
Literarisches Vorbild für Einhards Vita Karoli ist allen voran der antike Kaiserbiograf C. Suetonius Tranquillus (* ca. 70, † 122), dessen Kaiserviten für den frühmittelalterlichen Biografen Einhard stets Orientierungs- und Bezugspunkt und ihm neben diversen Formulierungsanleihen im Einzelnen vor allem für die Strukturierung seiner Vita Gerüst sind. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die Augustus-Vita. Diese Orientierung an Sueton, die einerseits thematische Beschreibungsaspekte vorgab, mag vielleicht auch dazu beigetragen haben, dass Einhard über gewisse Einzelheiten berichtet hat, sonst möglicherweise unbehandelt geblieben wären. Andererseits gestaltete Einhard innerhalb der bei Sueton vorgefundenen Linien sein Werk dennoch frei aus. Auch wenn Einhard selbst im Prolog zur Vita, den er im Gestus der Demut beendet, schreibt, dass er als Franke im Lateinischen kaum geübt sei (… homo barbarus et in Romana locutione perparum exercitatus …, prol.), hat er seine Karlsvita durch ihre Orientierung an der antiken Biografie mit entsprechendem antiken Kolorit versehen und antikisiert, ein Aspekt, der seinen anderen literarischen Erzeugnissen im Übrigen fehlt.
Obwohl Einhard zur Abfassungszeit der Vita ja als Laienabt geistlichen Gemeinschaften vorstand und später um die Verehrung „seiner“ beiden Heiligen auch literarisch bemüht war, ist das christliche Element in seiner biografischen Darstellung lediglich latent und unaufdringlich. Karl Langosch betont diesen Aspekt mit dem Hinweis darauf, dass nur in wenigen Kapiteln der Vita die Religiosität des Herrschers eine Rolle spiele (z.B. c. 26 und 27), sich hingegen beachtenswerte Einlassungen zur Darstellung Karls als Franke fänden (z.B. c. 23 und vor allem 29). Daher kommt er abschließend zu dem Urteil:
Damit wagte er [Einhard] literarhistorisch Neues, nämlich eine weltliche Persönlichkeit an sich zu erfassen, d.h. ohne geistliche Einfärbung, und erweckte die römische Biographie zu neuem Leben. […] Die „Vita“ fand die verdiente Wirkung darin, dass sie bereits im Mittelalter zu den am meisten gelesenen Geschichtswerken zählte und mannigfachen Einfluss auf die Entwicklung ihres Genus übte. – Langosch, Mittellatein und Europa, S. 58f.
Weiterführende Literatur
- Gisela Parnack, Einhardi Vita Karoli Magni. Eine Lektüreeinheit in Klasse 11, in: AU 44,6 / 2001, S. 21–27.
- Einhard. Vita Karoli Magni. Text, Kommentar, hg. von Paul Klopsch / Ernst Walter (Testimonia. Curriculare Reihe lateinischer und griechischer Texte), Bamberg 22012 (vollständiger Text der Karlsvita für die schulische Lektüre mit Einleitung, Übersetzungshilfen und kapitelweisen Kommentierungen im Nachgang).
- Einhart. Vita Karoli Magni. Text, hg. von Franz Xaver Herrmann (Aschendorffs Sammlung lateinischer und griechischer Klassiker), Münster 1984.
- Einhard. Vita Karoli Magni. Kommentar, eingeleitet und kommentiert von Franz Xaver Herrmann (ebd.), Münster 42001 (ausführlicher Schüler_innen-Kommentar mit zahlreichen vertiefenden sprachlichen-philologischen, sachlichen, historischen Angaben und Hinweisen sowie weiteren vertiefenden Aufgabenstellungen).
- Matthias Becher, Karl der Große, München 52007 (kurze Gesamtdarstellung über den Herrscher, geeignet für eine zeitökonomische Einarbeitung in Vita, Wirken und Beurteilung Karls des Großen).
- Steffen Patzold, Ich und Karl der Große. Das Leben des Höflings Einhard, Stuttgart 2013 (lesenswerte und unterhaltsame Biografie Einhards, die auch für historische Laien um Verständlichkeit bemüht ist und Leerstellen der Biografie Einhards rekonstruierend und auf Grundlage von Indizien weiter auszuleuchten; Einzelkapiteln sind strukturierend immer Auszüge aus der Karlsvita vorgeschaltet).
Zweisprachige Ausgaben:
- Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Bd. 1: Die Reichsannalen, Einhard Leben Karls des Großen, zwei „Leben“ Ludwigs, Nithard Geschichten (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, 5), hg. und neubearbeitet von Reinhold Rau, Darmstadt 1962 (ND der Ausgabe von 1955), S. 157-211 (lateinischer Text auf der Grundlage der Edition Oswald Holder-Eggers, 1911; dt. Übersetzung auf der Grundlage von Otto Abel, Berlin 1850; mit kurzer Einleitung zu Leben und Werk Einhards).
- Einhard. Vita Karoli Magni. Das Leben Karls des Großen. Lateinisch / Deutsch (Reclams Universal-Bibliothek, Nr. 1996), mit Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort hg. von Evelyn Scherabon Firchow, bibliogr. erg. Ausgabe Stuttgart 2018 (lateinischer Text auf der Grundlage der Edition Oswald Holder-Eggers, 1911; mit diversen Anmerkungen und einem kurzen Nachwort zu Leben und Werk Einhards).