Francesco Petrarca: Ad Pulicem Vicentinum poetam, Ad Marcum Tullium Ciceronem
Autor
Francesco Petrarca (1304–1374) war ein italienischer Dichter und Gelehrter und gilt als einer der Begründer des Humanismus. Petrarca, der aus einer Florentiner Familie stammte, wurde 1304 in Arezzo geboren und starb 1374 in Arquà, südwestlich von Padua. Er studierte die Rechte in Montpellier und Bologna. Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1326 brach er sein Studium ab, ging nach Avignon, wo sich damals die Kurie befand, und empfing die niederen Weihen. Petrarcas unstetes Leben war geprägt von häufigen Reisen, u.a. in diplomatischer Mission, und Wechseln seines Wohnorts. Seine lateinische Schriften umfassen Briefe, Geschichtsschreibung, Dialoge und Dichtung, darunter die Africa, ein nicht vollendetes Epos über den Zweiten Punischen Krieg. Daneben umfasst sein Werk auch volkssprachliche Schriften. Insbesondere seine Lyrik (Canzoniere) wurde intensiv rezipiert und war für die Entwicklung der italienischen Literatur von großer Bedeutung. In Anlehnung an einen antiken Brauch ließ sich Petrarca im Jahre 1341 in Rom mit dem Dichterlorbeer zum poeta laureatus krönen. Außerdem betätigte sich Petrarca als Philologe: So entdeckte er unter anderem Ciceros Briefwechsel und dessen Rede Pro Archia poeta wieder und erstellte eine Ausgabe des Geschichtswerks des Titus Livius.
Werk
Petrarca ordnete einen Teil seiner Briefe in Sammlungen, den Epistolae Familiares, den Epistolae Seniles und den in Hexametern verfassten Epistulae Metricae. Im Folgenden werden zwei Briefe präsentiert: Der erste stammt aus dem 24. und letzten Buch der Epistulae Familiares und richtet sich an einen mit Petrarca befreundeten Dichter aus Vicenza, der Pulex (›Floh‹) genannt wird und mit richtigem Namen Enrico di Giambono da Custoza (1300–1354) heißt. Thema des Briefes sind die Wertung Ciceros und die beiden Briefe, die Petrarca an diesen verfasst hat. Cicero wird für seine Redekunst und seinen Einsatz für den Staat gelobt, jedoch werden seine Wankelmütigkeit und seine Charakterschwächen kritisiert. Anders als im späteren Ciceronianismus-Streit steht nicht sein Stil im Fokus, sondern es geht um eine umfassendere Bewertung seiner Person. Der zweite Brief richtet sich an Cicero: Während Petrarca seine Zuneigung zu dem Römer deutlich macht, spart er doch nicht an Kritik. Es gibt noch einen zweiten Brief an Cicero, in dem Petrarca diesem von Vergil, den Cicero nicht mehr selbst erlebte, berichtet.
Besonderheiten
Der erste Brief knüpft an eine (angeblich) kürzlich erfolgte Begegnung des Schreibers mit dem Adressaten an. Die Streitfrage, die eigentlich behandelt werden soll, wird so biographisch gerahmt und durch eine lebendige Beschreibung regelrecht in Szene gesetzt. Dass Petrarcas Kontrahent in der Diskussion keinen Namen erhält, sondern nur als senex (›der Alte‹) auftritt, mag ein Hinweis darauf sein, dass es nicht um ein Individuum geht, sondern um einen bestimmten Typ Mensch. Der Brief enthält Anteile von Erzählung, Beschreibung, direkter Rede, Argumentation, aber auch Betrachtungen allgemeiner Art (z.B. über das Vergehen der Zeit). Seinen Brief an Cicero inszeniert Petrarca als lebhafte und direkte Kommunikation, etwa durch (rhetorische) Fragen und Ausrufe, die seinen Schmerz über Ciceros Schwächen und Fehlentscheidungen ausdrücken. Zu Beginn und am Schluss macht Petrarca deutlich, dass das Schreiben des Briefes vergeblich ist und nur als Ausdruck des Bedauerns dienen kann, da sich das Geschehene nicht ändern lässt. Er betont somit den literarischen Charakter des Briefes.
Weiterführende Literatur
Schmidt, Peter Lebrecht: Petrarcas Korrespondenz mit Cicero. In: Traditio Latinitatis. Studien zur Rezeption und Überlieferung der lateinischen Literatur, hrsg. von Peter Lebrecht Schmidt, Joachim Fugmann, Martin Hose, Bernhard Zimmermann. Stuttgart 2000. S. 274–282.